Erkältungen und Rückenschmerzen haben feste Regeln am Arbeitsplatz. Wechseljahre? Nicht einmal eine Erwähnung.
Als Expertin im Bereich der Wechseljahre höre ich oft von Frauen, wie sehr sie sich Unterstützung am Arbeitsplatz wünschen – und wie selten sie diese erhalten. Dieses Thema wird nicht nur in Unternehmen, sondern auch gesellschaftlich weitgehend ignoriert. Dabei stehen wir an einem Punkt, an dem sich vieles ändern muss.
Als Mitglied des Experten-Teams von The Change, einer Initiative, die sich für die Sichtbarkeit und Enttabuisierung der Wechseljahre einsetzt, habe ich die Gelegenheit, genau daran mitzuwirken. Die Initiatorin von The Change, Sonja Hachenberger, hat gemeinsam mit der Plattform Kununu, unter wissenschaftlicher Begleitung von Dr. Jennifer Chan de Avila eine Umfrage ins Leben gerufen, die erstmals die Perspektive der Arbeitgeber beleuchtet: Wie viel wissen Unternehmen über die Herausforderungen, die Frauen in den Wechseljahren erleben? Und was tun sie, um diesen zu begegnen?
Die Ergebnisse? Ernüchternd. 75 % der befragten Arbeitgeber bieten keinerlei Maßnahmen für Frauen in den Wechseljahren an. Gleichzeitig betonen viele Unternehmen, wie wichtig ihnen Diversität und Fachkräftesicherung sind. Der Widerspruch könnte größer kaum sein.
Für mich war klar: Diese Zahlen dürfen nicht nur erhoben werden, sie müssen ein Weckruf sein – für alle, die Verantwortung für Menschen am Arbeitsplatz tragen. Denn Wechseljahre betreffen nicht nur Frauen. Sie betreffen uns alle.
Menopause-Strategie: Hintergrund und Zielsetzung
Die Wechseljahre sind eine natürliche Lebensphase, doch in vielen Unternehmen wird dieses Thema entweder ignoriert oder tabuisiert. Dabei könnten gezielte Maßnahmen nicht nur das Wohlbefinden betroffener Frauen verbessern, sondern auch den Unternehmenserfolg steigern.
Auch in der Medizin spielt die Menopause keine Rolle. Es gibt keine Abrechnungsziffer für Wechseljahresbeschwerden.
Genau hier setzt die Arbeit von The Change an.
The Change ist ein Netzwerk von Expert:innen, das sich dafür einsetzt, die Wechseljahre gesellschaftlich sichtbarer zu machen und Tabus zu brechen – vor allem im beruflichen Kontext. Frauen zwischen 40 und 60 Jahren sind oft zentrale Stützen in ihren Unternehmen, und doch fehlt es an Unterstützung für sie, wenn Wechseljahresbeschwerden wie Schlafprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten oder Hitzewallungen auftreten.
Um die Perspektive von Unternehmen zu verstehen, hat sich The Change mit Kununu zusammengetan, der führenden Plattform für Arbeitgeberbewertungen im deutschsprachigen Raum. Ziel war es, die Herausforderungen am Arbeitsplatz systematisch zu beleuchten und Handlungsbedarf zu identifizieren. Die Umfrage, die über Kununu durchgeführt wurde, richtete sich an Arbeitgeber verschiedener Branchen und fragte, wie sie mit den Themen Wechseljahre und Unterstützung ihrer Mitarbeiterinnen umgehen.
Die Kooperation war für uns eine Herzensangelegenheit. Es ist an der Zeit, dass wir Wechseljahre als das anerkennen, was sie sind: ein wichtiges Thema für die Arbeitswelt. Nur so können wir Barrieren abbauen und ein Arbeitsumfeld schaffen, das wirklich inklusiv ist.
Die Studie – Methodik und Ergebnisse
Wie lässt sich die Situation von Frauen in den Wechseljahren am Arbeitsplatz besser verstehen? Diese Frage stand im Zentrum der gemeinsamen Studie von The Change und Kununu. Um verlässliche Daten zu gewinnen, wurden Arbeitgeber im deutschsprachigen Raum über die Plattform Kununu zu ihrer Haltung und ihren Maßnahmen gegenüber den Wechseljahren befragt.
Die Methodik der Umfrage war einfach und zielgerichtet: Ein webbasiertes Tool wurde genutzt, um Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen direkt anzusprechen. Ziel war es, die Sichtweise der Arbeitgeber zu beleuchten – ein Aspekt, der bisher in Studien kaum berücksichtigt wurde. Diese Initiative diente als Pendant zur Menopause-Befragung MenoSupport2024 der Hochschule Berlin, bei der Frauen selbst zu ihren Erfahrungen befragt wurden.
Die Ergebnisse der Umfrage waren überraschend – und ernüchternd:
- 75 % der befragten Arbeitgeber gaben an, dass sie keine spezifischen Maßnahmen oder Programme für Frauen in den Wechseljahren anbieten.
- 43 % der Unternehmen hatten wenig bis kein Wissen über die Auswirkungen der Wechseljahre auf ihre Mitarbeiterinnen.
- Gleichzeitig sehen 32 % der Personalverantwortlichen das Thema als tabuisiert an, was oft dazu führt, dass Frauen im Stillen mit ihren Beschwerden kämpfen.
Besonders alarmierend ist, dass fast ein Drittel der Arbeitgeber angibt, das Thema Wechseljahre bewusst zu meiden, obwohl Fachkräftemangel und demografischer Wandel die Bedeutung jedes Mitarbeitenden verstärken.
Dennoch gab es auch Lichtblicke: Einige Unternehmen äußerten Interesse daran, ihre internen Strukturen anzupassen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Diese Bereitschaft zeigt, dass der Wille zur Veränderung vorhanden ist – wenn die richtigen Impulse gesetzt werden.
Die Ergebnisse der Studie bieten eine klare Botschaft: Der Arbeitsplatz ist nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Frauen in den Wechseljahren eingestellt. Doch genau hier liegt die Chance, einen Wandel anzustoßen – für die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und die Zukunft der Unternehmen.
Warum das Thema relevant ist
Die Wechseljahre sind mehr als eine persönliche Herausforderung – sie sind ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Thema. Frauen zwischen 40 und 60 Jahren sind oft zentrale Stützen im Berufsleben. Sie bringen Erfahrung, Expertise und Loyalität mit, doch genau in dieser Phase stoßen viele von ihnen auf Barrieren, die durch die Wechseljahre entstehen.
Die Auswirkungen auf die Arbeitswelt: Die Symptome der Wechseljahre – von Schlafproblemen über Konzentrationsstörungen bis hin zu Hitzewallungen – können erheblich sein. Laut einer früheren Studie gaben 25 % der befragten Frauen an, aufgrund dieser Beschwerden nur noch Teilzeit arbeiten zu können oder vorzeitig in den Ruhestand gegangen zu sein. In einer Zeit, in der der Fachkräftemangel viele Branchen herausfordert, können Unternehmen es sich nicht leisten, hochqualifizierte Mitarbeiterinnen zu verlieren.
Doch es geht nicht nur um wirtschaftliche Verluste. Wechseljahresbedingte Arbeitsausfälle und Produktivitätseinbußen kosteten Unternehmen Milliarden – allein in den USA wurden die Verluste auf rund 26,6 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt. Wenn Unternehmen diesen „Elefanten im Raum“ weiterhin ignorieren, riskieren sie nicht nur ihre Profitabilität, sondern auch ihren Ruf als attraktive Arbeitgeber.
Ein Tabuthema mit weitreichenden Folgen: Die Tabuisierung der Wechseljahre verstärkt das Problem zusätzlich. Frauen berichten oft davon, dass sie ihre Beschwerden verschweigen, aus Angst vor Stigmatisierung oder beruflichen Nachteilen. Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen: Ein Drittel der Arbeitgeber betrachtet das Thema als tabuisiert. Diese Haltung führt dazu, dass betroffene Mitarbeiterinnen sich isoliert fühlen und wichtige Unterstützungsmaßnahmen ausbleiben.
Eine Chance für den Wandel: Doch genau hier liegt die Möglichkeit, einen Unterschied zu machen. Unternehmen, die sich für die Bedürfnisse von Frauen in den Wechseljahren einsetzen, können nicht nur die Lebensqualität ihrer Mitarbeiterinnen verbessern, sondern auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Initiativen wie flexible Arbeitszeiten, Sensibilisierungstrainings oder spezielle Gesundheitsprogramme könnten der erste Schritt in die richtige Richtung sein.
Für mich persönlich ist klar: Wechseljahre sind nicht nur ein Gesundheitsthema – sie sind eine Frage der Gerechtigkeit. Frauen verdienen ein Arbeitsumfeld, das ihre Bedürfnisse respektiert und sie unterstützt, anstatt sie zu übersehen. Denn nur wenn wir dieses Tabu brechen, können wir wirklich von einer modernen und inklusiven Arbeitswelt sprechen.
Ausblick und Chancen
Die Ergebnisse der Studie mögen ernüchternd sein, aber sie sind auch ein klarer Handlungsaufruf – und eine große Chance. Die Wechseljahre sind kein Nischenthema; sie betreffen Millionen Frauen weltweit und damit auch unzählige Unternehmen. Was also können Unternehmen tun, um das Arbeitsumfeld für betroffene Mitarbeiterinnen zu verbessern?
Praktische Maßnahmen für Unternehmen
Viele Unternehmen wissen vielleicht nicht, wo sie anfangen sollen. Dabei könnten bereits kleine Schritte einen großen Unterschied machen:
- Flexibilität fördern: Flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, können den Druck auf Mitarbeiterinnen verringern.
- Sensibilisierung schaffen: Schulungen und Workshops für Führungskräfte und Kolleg:innen helfen, Vorurteile abzubauen und ein unterstützendes Umfeld zu schaffen.
- Gesundheit am Arbeitsplatz stärken: Spezielle Gesundheitsprogramme, die etwa den Umgang mit Schlafproblemen oder Stress erleichtern, könnten Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements werden.
- Offene Kommunikation fördern: Unternehmen sollten das Thema enttabuisieren und als festen Bestandteil ihrer Diversity- und Inklusionsstrategie integrieren.
Von Vorreitern lernen
Einige Unternehmen machen es bereits vor. Sie erkennen die Wechseljahre als eine wichtige Lebensphase an und bieten gezielte Unterstützung. Solche Maßnahmen zahlen sich nicht nur für die betroffenen Frauen aus, sondern steigern auch die Motivation, die emotionale Verbundenheit mit dem Arbeitgeber und die Loyalität der gesamten Belegschaft. Denn wer spürt, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden, bleibt länger und engagierter.
Die gesellschaftliche Dimension
Auch über die Unternehmen hinaus hat das Thema Wechseljahre eine weitreichende Bedeutung. Laut Prognosen wird in den nächsten fünf Jahren ein Viertel der weiblichen Weltbevölkerung in den Wechseljahren sein. In einer alternden Gesellschaft wird es daher immer wichtiger, dass Frauen in dieser Lebensphase nicht marginalisiert, sondern gestärkt werden.
Ein Leitfaden für die Zukunft
Ermutigend ist, dass die Studie nicht das Ende, sondern der Anfang eines Prozesses ist. Bereits im Februar 2025 wird ein wissenschaftlicher Leitfaden veröffentlicht, der Unternehmen konkrete Ansätze bietet, um Maßnahmen für Wechseljahre im betrieblichen Gesundheitsmanagement zu implementieren. Ich hoffe, dass dieser Leitfaden als Startschuss dient – für mehr Offenheit, Verständnis und konkrete Veränderung.
Für mich persönlich ist diese Arbeit ein wichtiger Teil meiner Mission: die Hormonrevolution. Es geht nicht nur darum, das Tabu zu brechen, sondern darum, echte Veränderungen zu bewirken – in Unternehmen, in der Gesellschaft und in den Köpfen der Menschen.
Fazit und Appell
Die Wechseljahre sind kein Randthema. Sie betreffen Frauen weltweit, prägen ihren Alltag und wirken sich direkt auf die Arbeitswelt aus. Die Studie von The Change und Kununu hat eindrücklich gezeigt, dass das Thema Wechseljahre in Unternehmen erheblichen Nachholbedarf hat. Doch sie hat auch gezeigt, dass der Wandel möglich ist – wenn wir jetzt handeln.
Für mich ist klar: Die Tabuisierung der Wechseljahre muss ein Ende haben. Unternehmen, die sich diesem Thema stellen, haben die Chance, nicht nur das Leben ihrer Mitarbeiterinnen positiv zu verändern, sondern auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu stärken. Die ersten Schritte mögen klein sein – ein Gespräch, ein Workshop, ein flexibles Arbeitsmodell – doch die Wirkung ist enorm.
Es liegt an uns allen, den Elefanten im Raum sichtbar zu machen und dafür zu sorgen, dass Frauen in den Wechseljahren die Unterstützung erhalten, die sie verdienen. Denn nur so schaffen wir Arbeitsplätze, die wirklich inklusiv sind, und eine Gesellschaft, die Frauen in jeder Lebensphase wertschätzt.
Die Wechseljahre sind keine Schwäche. Sie sind ein Teil des Lebens – und sie verdienen unseren Respekt, unser Verständnis und unsere Aufmerksamkeit. Ich lade Sie ein, mit uns diesen Weg zu gehen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Wechseljahre in der Arbeitswelt keinen Platz mehr für Tabus haben, sondern für Fortschritt und Empathie.